Fragen zur Ausgrabung
Warum wird überhaupt ausgegraben?
Wenn wir etwas über das Leben und die Umwelt in vor- und frühgeschichtlicher Zeit erfahren wollen, sind wir im Wesentlichen auf Ausgrabungsergebnisse angewiesen. Das gilt besonders für die lange Epoche der Vorgeschichte, in der es noch keine Schrift gab, aber auch für die Zeit der römischen Herrschaft, denn die schriftlichen Überlieferungen aus dieser Zeit geben in der Regel keine Auskunft über das Leben in den nördlichen Provinzen.
Warum wird gerade hier gegraben?
Viele sind der Meinung, dass die römische Zeit gut erforscht ist. In der Tat wurden auch schon viele Villen ausgegraben. Diese Untersuchungen gehören in eine Zeit, als die Archäologie noch andere Zielsetzungen hatte und naturwissenschaftliche Begleituntersuchungen so gut wie unbekannt waren. Man begnügte sich mit schönen Funden und der Dokumentation der vorgefundenen Architektur. Die Villa von Nennig wurde z. B. in der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgegraben und außer dem Mosaikfußboden und dem Grundriss ist über die weiteren Ausgrabungsergebnisse und Funde so gut wie nichts bekannt. In Borg wird ausgegraben, weil das Denkmalamt in den 1980er Jahren im nordwestlichen Saarland eine Villa mit modernen Methoden untersuchen wollte. Die Wahl fiel auf diesen Platz, weil es sich hier um eine komplett ungestörte römische Villenanlage handelt, die nach dem Verlassen weder überbaut noch in andere Art und Weise in Mitleidenschaft gezogen wurde. Somit besteht hier die Möglichkeit eine vollständige Anlage auszugraben und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Wer hat die Anlage entdeckt?
Diese Frage wird fast immer gestellt, obwohl sie in der Einführung schon behandelt wurde.
Der Lehrer Johann Schneider aus dem benachbarten Dorf Oberleuken, dem in der Zeit um die Jahrhundertwende 1900 bei Spaziergängen im Wald unnatürliche Geländeerhöhungen aufgefallen sind. Er führte – zum Teil mit seinen Schulkindern – kleinere Untersuchungen durch und sandte die Funde und Aufzeichnungen nach Trier.
Wer war der Besitzer der Villa?
Um den Namen zu erfahren, bräuchten wir eine schriftliche Überlieferung, wie z. B. eine Gründungsinschrift. Da wir bis dato nichts dergleichen gefunden haben, bleibt uns auch der Name unbekannt.
Wie viele Menschen haben hier gelebt?
Diese Zahl kann man nur schätzen. Während der Blütezeit im 2. Jh. und 3. Jh. n. Chr. lebte im Bereich des Herrenhauses die Besitzerfamilie und die engere Dienerschaft. Wir gehen von etwa 25 bis 30 Personen aus. Insgesamt muss zur Blütezeit der Anlage sicherlich mit mind. 150 bis 200 Personen für die gesamte Anlage, also auch den landwirtschaftlichen Betrieb, gerechnet werden. Genaue Angaben können wir beim derzeitigen Ausgrabungsstand noch nicht machen.
Was wird gefunden?
In der Hauptsache zerscherbte Keramik und Eisennägel, aber auch Werkzeuge, Schmuck und Münzen.
Warum werden so viele Münzen gefunden?
Die meisten Münzen wurden verloren, wobei man wertvolle Geldstücke wohl intensiver suchte als solche von geringem Wert. So setzt sich auch unser Fundmünzen-Spektrum zusammen: Von den fast 2200 Münzen, die bis jetzt gefunden wurden, bestehen die allermeisten aus Kupfer oder Bronze, nur etwa 50 aus Silber, und Goldmünzen wurden bis jetzt noch nicht gefunden.
Was ist der wertvollste Fund?
Bis jetzt der goldene Ring mit dem roten Schmuckstein, in den ein Männerkopf eingraviert ist.
Was ist er wert?
Wir sind nicht in der Lage, eine Summe zu nennen. Solche Gegenstände werden gemeinhin im Kunsthandel oder auf Auktionen angeboten, wo sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet.
Wurden schon Waffen gefunden?
Militärische Ausrüstungsgegenstände wie Schwerter, Brustpanzer oder Helme wurden bis jetzt noch nicht gefunden. Solche Funde sind in einer zivilen Siedlung wie unserer Villa in der Regel auch nicht zu erwarten. Außerdem befanden sich militärische Gegenstände im Besitz der Armee.
Unter unserem Fundmaterial befinden sich allerdings einige Lanzenspitzen, die aber vermutlich als Jagdwaffen dienten.
Wem gehören die Funde?
Nach dem saarländischen Denkmalschutzgesetz gehört alles, was bei Ausgrabungen gefunden wird dem Land.
Wurden schon Gräber gefunden?
Die Gräber, die bislang freigelegt wurden, gehören nicht in die römische Zeit. Es handelt sich vielmehr um ein Körpergrab aus der späten Kupferzeit sowie Brandgräber aus der späten Bronzezeit um etwa 1100 v. Chr. Das belegt, dass dieser Platz schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt gewesen sein muss, da sich die Gräber immer in der Nähe der Siedlungen befunden haben.
Den Römern war es gesetzlich verboten, innerhalb der Siedlung zu bestatten. Die römischen Gräber werden außerhalb der Villenanlage in der Nähe der Straße zu suchen sein. Dort wurde am Waldrand in Richtung Borg – ebenfalls von Lehrer Schneider – 1904 ein kleines Gräberfeld von etwa 20 Bestattungen ausgegraben. Leider lassen sich die Grabinventare in Trier nicht mehr identifizieren.
Wie haben die Römer bestattet?
Die Römer kannten sowohl die Brand- als auch die Körperbestattung, wobei in den ersten Jahrhunderten die Brandbestattung – in der Regel das Urnengrab – vorherrscht. Später setzt sich dann – auch unter dem zunehmenden Einfluss des Christentums – immer mehr die Körperbestattung durch.
Gibt es Hinweise auf Christentum?
Bis jetzt noch nicht.
Wovon lebten die Villenbewohner?
Die wirtschaftliche Basis war in erster Linie Ackerbau und Viehzucht. Trier als bedeutende Stadt musste mit Nahrungsmitteln versorgt werden, und die großen Villen im Umland – darunter auch Borg – haben mit dazu beigetragen.
Was wurde gegessen?
Über den Speisezettel sind wir aufgrund von archäobotanischen und archäozoologischen Untersuchungen sehr gut unterrichtet.
So werden z. B. seit 1992 botanische Reste geborgen und analysiert. Da sich aufgrund der Bodenverhältnisse in Borg pflanzliche Überreste nur in verkohltem Zustand erhalten haben, eignen sich für die Entnahme von Bodenproben besonders die Umgebung von Herdstellen sowie Brandschichten und Grubenverfüllungen. Die Erdproben werden erst in Wasser aufgelöst und dann über einen feinen Siebsatz abgegossen. Die auf den Sieben zurückbleibenden Getreidekörner, Hülsenfrüchte sowie Samen und Früchte von Wildpflanzen können dann von einem Achäobotaniker unter einem Stereomikroskop untersucht und bestimmt werden.
Mit dem Nachweis der Getreide Dinkel und Emmer sowie von Saatweizen und Gerste kennen wir die wichtigsten Getreide, die vermutlich in der Umgebung angebaut wurden. Mit diesen Getreidesorten und den Hülsenfrüchten Erbse, Linse und Saubohne gelang – was Borg betrifft – ein erster Blick auf den antiken Speisezettel und die Flora in römischer Zeit. Da die Untersuchungen fortgeführt werden, werden sich der Kenntnisstand und das Artenspektrum sicherlich noch erweitern.
Die Tierknochen wurden von einer Archäozoologin bestimmt. Demnach wurde am häufigsten Schwein verzehrt, gefolgt von Rind, Schaf, Ziege und Geflügel. Der Anteil an Wildtieren ist gering. Die Jagd spielte bei der Ernährung keine große Rolle. Die gefundenen Austernschalen sind ein Zeichen des Luxus, der auch am Speisetisch herrschte, denn die Austern mussten ja lebend von der Küste hertransportiert werden.
Wie war das Klima in der damaligen Zeit?
Etwas wärmer als heute. Es gibt neuerdings aber Anhaltspunkte für eine Klimaverschlechterung im 3. Jh. n. Chr.
Wo kommt der Marmor her?
Der Marmor, der in der Villa Borg gefunden wurde, ist nicht untersucht worden. Allerdings gibt es Untersuchungen in der Villa von Echternach in Luxemburg. Hier kommt er aus Carrara.
Sahen alle Liegen so aus?
(zur Liege im Laubad) Die Liege oder Kline im Laubad wurde von Dr. Marcus Junkelmann rekonstruiert. Sicherlich sahen nur die Liegen in reichen Häusern so ähnlich aus. Sicher ist aber, dass die Liegen meist mit Bronzefiguren und Aufsätzen verziert waren. Es gibt auch in der Villa Borg einige Fundstücke, die darauf hinweisen. Diese Liege ist sehr kostbar, und es gibt insgesamt nur drei dieser Rekonstruktionen. Eine in der Prähistorischen Staatssammlung in München, eine in Italien und eine in Borg.
Wurde die Figur (meist auf die Muse Clio bezogen) auch hier gefunden?
Die Figur der Muse Clio (Muse der Geschichtsschreibung) wurde nicht in der Villa Borg gefunden. Man kann aber davon ausgehen, dass die Räume einer solchen Anlage mit ähnlichen Figuren ausgeschmückt waren. Diese Figur wurde vom Förderkreis der Römischen Villa Borg gestiftet. Da es Abbildungen von Musen auch auf Mosaiken und Wandmalereien gibt, kann man sich gut vorstellen, dass es eine Figur der Muse Clio in Borg gegeben haben könnte.
Sollte sich die Frage auf die Quellnymphe beziehen, so kann diese mit ja beantwortet werden. Die Quellnymphe wurde bei den Ausgrabungen des Wasserbeckens gefunden. Der Kopf war vom Körper abgetrennt und lag etwas weiter davon entfernt. Das Original steht im Umgang des Museums. Bruchstücke einer zweiten, baugleichen Figur wurden ebenfalls gefunden, weshalb das Wasserbecken auch mit zwei Figuren geschmückt ist.
Wieso gibt es in Nennig den Mosaikfußboden?
Bei der Villa von Nennig handelt es sich ebenfalls um eine villa rustica. Allerdings ist die Anlage größer. Aufgrund des Fundmaterials und der Güte und Größe des Mosaiks geht man davon aus, dass die Villa einer hochgestellten Persönlichkeit aus Trier gehört hat. Allerdings hat es auch in der Villa Borg farbige Mosaiken gegeben, die allerdings nicht mehr erhalten sind. Lediglich im Grabungsschutt fanden sich eine Vielzahl von farbigen Mosaiksteinen.
Woraus sind die Böden gemacht (im Ruheraum Bad)?
Es handelt sich um einen so genannten Terrazzoboden. Er besteht aus Mörtel, der mit kleinen Ziegelbruchstücken vermischt wurde.
Wie waren die Wasserbecken abgedichtet?
Die Becken wurden mit einem sehr feinen Estrich ausgestrichen. Die Ecken wurden mit einem Estrichwulst ausgekleidet.
Woher kommt die blaue Farbe?
Die blaue Farbe stammt von so genanntem Azuritblau. Es wurde in Bergwerken im Saar-Mosel-Raum abgebaut. Eines der römischen Bergwerke, in denen Azurit abgebaut wurde, befindet sich in Wallerfangen.
Gab es in römischer Zeit schon Glas?
Es gab in römischer Zeit schon eine sehr ausgeprägte Glasindustrie. Neben Glas für Gefäße wurde auch Fensterglas hergestellt. Dieses Glas war nicht so dünn und auch nicht so durchsichtig wie heutiges Glas, erfüllte aber seinen Zweck.
Woher weiß man, dass die Fenster oben abgerundet waren?
Im Fundmaterial gab es Glasscheiben, die an einer Seite abgerundet waren. Außerdem war im rückwärtigen Umgang eine Wand nach außen umgefallen und dort waren noch die Reste eines gerundeten Fensterbogens erhalten.
Woher weiß man, wie die Wände bemalt waren?
Im Fundmaterial haben sich sehr viele Reste von bemaltem Verputz erhalten. Manchmal waren die Stücke so groß, dass man die Verzierung sehr genau erkennen konnte. Außerdem gibt es z. B. in Pompeji noch sehr gut erhaltene Wandmalereien.
Wieso gibt es kein Laubad?
Über die Zeit wurde das Bad mehrfach umgebaut. In der von uns ausgewählten Bauphase gab es nur zwei Becken in der Anlage. Aus diesem Grund wurde auf eine Rekonstruktion des Laubades verzichtet.
Woher weiß man, wie hoch die Räume waren?
An verschiedenen Fundorten wurde noch aufgehendes Mauerwerk nachgewiesen (z. B. Pompeji). Es gibt aber auch antike Literatur zur Architektur (z. B. Vitruv), in der bestimmte Regeln zum Bau eines Hauses aufgeführt sind. Dort wird auch das Verhältnis von Höhe und Größe des Grundrisses behandelt. Außerdem waren in einigen Räumen die Fundamente sehr viel breiter, was auf eine höhere Mauer hindeutet.
Was sind das für Figuren und Reliefs, und hat man die auch hier gefunden?
Bei den Figuren und Reliefs handelt es sich um Kopien von griechischen Originalen. Die Römer haben die griechische Kunst sehr geschätzt und deshalb immer wieder Originale kopiert. Man kann davon ausgehen, dass ein reicher Villenbesitzer sein Haus sicherlich mit solchen Figuren und Reliefs geschmückt hat. In Borg wurden außer der Quellnymphe am Wasserbecken keine Figuren oder Reliefs gefunden.
Wie viel Wasser fasst ein Becken?
Das Kaltbad fasst ca. 11.000 Liter, das Heißbad ca. 3.500 Liter.
Warum hat das Kaltbad so unbequeme Einstiegsstufen?
Das ist nicht ganz klar. Vielleicht wollte man die Größe des Beckens nicht durch breite, bequeme Stufen verkleinern.
Wieso steht das Torhaus nicht in der Flucht?
Genau wissen wir das auch nicht. Es gibt aber bislang zwei Theorien. Die erste hängt mit der Baugeschichte des Torhauses zusammen. Soweit es sich bislang sagen lässt, wurde das Torhaus nicht als symmetrische Anlage geplant. Der rechte Teil wurde zuerst errichtet. Vermutlich erst einige Zeit nach dessen Bau hat man im Zuge von Umbaumaßnahmen eine symmetrische Anlage daraus gemacht. Vermutlich wollte man sich die Arbeit ersparen, das gesamte Gebäude neu zu errichten, und hat einfach an den schon vorhandenen Flügel die Tordurchfahrt und den linken Gebäudeflügel angebaut. Dies führte dazu, dass das Tor nicht genau in der Achse zum Herrenhaus steht.
Die zweite Theorie hängt mit dem zweiten Torhaus zusammen, das am Ende des Wirtschaftsbereiches liegt und die Anlage nach außen zur Straße abtrennt. Es besteht die Möglichkeit, dass auch dieses Torhaus nicht genau in der Achse zum Herrenhaus liegt und dass das zweite Torhaus zu diesem ersten Gebäude ausgerichtet ist. Dies kann aber erst nach den Ausgrabungen in diesem Bereich bestätigt werden.